Wer sich immer schon einmal gefragt hat wie Wissenschaftler:innen einen verschollen Raum suchen – auf ServusTV durften wir unser Projekt und den aktuellen Stand unserer Forschung in einem Beitrag über die Suche nach der Türnitz präsentieren. Viel Spaß mit der Suche hatten nicht nur wir sondern auch das Team rund um Philipp McAllister und Lukas Prommer für Servus TV. Hier der link zum Beitrag:
Die Umsetzung des Projekts erfolgt in drei Schritten. In einem ersten Schritt werden die historischen Quellen aus den Archiven erhoben und mithilfe computergestützter Technologien und Werkzeuge digital aufbereitet. Als Quellenmaterial dienen hierbei historische Inventare, die meist bei Besitzer- oder Verwalterwechsel angelegt wurden, um die auf den Burgen vorhandenen Objekte zu erfassen. Inventare bieten somit zahlreiche Informationen über die räumliche Struktur der Festung sowie deren Ausstattung und Nutzung. Zu Hohensalzburg sind insgesamt 17 Festungsinventare überliefert, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert datieren. Mit Ausnahme des ältesten Inventars von 1540, das im Diözesanarchiv in Salzburg (AES) zu finden ist, sind alle weiteren Exemplare im Salzburger Landesarchiv (SLA) überliefert. Aufgrund des enormen Umfangs der Inventare wie des Umstands, dass manche Inventare nur Teilbestände erfassen, wurde die digitale Bearbeitung auf sieben Inventare eingeschränkt, deren zeitlicher Horizont sich vom 16. bis in das späte 18. Jahrhundert erstreckt: Inventar 1540, Inventar 1587, Inventar 1597, Inventar 1684, Inventar 1727, Inventar 1776.
Für die digitale Erschließung dieser schriftlichen Quellen kommt die Software Transkribus zum Einsatz, mit der digitalisierte Quellen gespeichert, maschinell transkribiert, semantisch annotiert und in verschiedenen Datenformaten exportiert werden können (insbesondere TEI-XML als Standardformat für Langzeitarchivierung). Die Inventare werden dabei vollständig transkribiert, die Informationen zu Räumen, Objekten und den damit verbundenen Handlungen und Personen detailliert aufgelöst und semantisch annotiert.
Basis dafür bietet die Datenbank RaumOrdnungen für die Erfassung von Inventaren des 14. bis 16. Jahrhunderts, aus welcher die semantischen Tags eingearbeitet wurde. Eine besondere Herausforderung stellt hier die Erschließung des in den Inventaren genutzten frühneuzeitlichen Wortschatzes dar, der soweit möglich über ein Glossar erschlossen wird, wobei neuhochdeutsche Entsprechungen eine Erleichterung der Suche nach Objekten ermöglichen sollen. Letztlich bildet dies die Basis eines Thesaurus, der für eine standardisierte Suche nach Objekten und deren Bezeichnungen herangezogen werden kann.
Wir bieten allen Interessierten über die Browserversion von Transkribus einen Lesezugriff auf die bereits transkribierten Inventare. Dazu müssen Sie bitte unter https://www.transkribus.org/de einen Useraccount anlegen und uns Ihren Usernamen per eMail an ingrid.matschinegg@plus.ac.at mitteilen. Danach schalten wir sie für die Collection frei.
Der Begriff „Raumbuch“ 1Muss noch referenziert werden wird in der Mittelalterforschung, in der Bauforschung und in der Architektur sehr unterschiedlich verstanden.
In der Architektur meint das Raumbuch eine Aufstellung aller „unbeweglichen“ Raumausstattungen, die über die räumlich begrenzte „Hülle“ des Raumes hinaus gehen. „Unbeweglich“ ist in diesem Zusammenhang auch nicht ganz korrekt da auch Gerät und Mobiliar, das direkt mit der Raumnutzung verbunden ist, auch ins Raumbuch geschrieben wird. Dies sind etwas Labortische, Maschinen oder Küchengeräte. Viel wesentlicher für das architektonische Raumbuch sind aber alle technischen Ausstattungen wie Schalter, Lüftungen, Leitungen, Bildschirme aber auch Fenster oder Türen inkl. ihrer technischen Beschreibungen und Beschaffenheit. So ist das architektonische Raumbuch dann Ausgangspunkt für das Facility Management2https://de.wikipedia.org/wiki/Facilitymanagement also die „Verwaltung“ von Räumen und Gebäuden. Weiterführend: https://www.linear.eu/de/blog/das-raumbuch-als-werkzeug-im-planungsprozess/ und https://www.haustec.de/management/betriebsfuehrung/was-ist-eigentlich-ein-raumbuch-und-wie-schreibt-man-es
Entsprechende Softwareprodukte zur digitalen Verwaltung von Räumen und Gebäuden basieren meist auf dem BIM (building information model) bzw. dem darunter liegenden IFC Format (industry foundation classes) und seien hier nur am Rande erwähnt.
Das Raumbuch in der Bauforschung wie in der Denkmalpflege meint im wesentlichen einen Befundkatalog bzw. Befundbericht, der in Bild, Skizzen, Text und Plänen aufbereitet und dargestellt ist. Die jeweiligen Schutzinstitutionen wie das BDA legen entsprechenden Richtlinien vor3Richtlinie des BDA: https://www.bda.gv.at/dam/jcr:792390e3-0a24-472c-baf7-46e5d72d6f9d/Richtlinien%20für%20bauhistorische%20Untersuchungen.pdf in denen die Beschaffenheit dieser Raumbücher genau erläutert ist. Inzwischen gibt es auch unterschiedliche Softwareprodukte4INARI AIS: https://www.inari-software.com/de/, die ArchäologInnen schon währender der Grabung bei der Erstellung des nachgereihten Raumbuches unterstützen.
Liste weiterer Publikationen zu diesem Thema (Auswahl)
- https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-23637-3_8
- https://volkverlag.de/shop/das-raumbuch/
Das historische Raumbuch wiederum ist formal sehr frei und orientiert sich an den vorhandenen Inventaren bzw. den wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen. Das Raumbuch zum Schloss Tirol 5https://www.tessmann.it/la/nosta-culezions/tirolensia/4211-schloss-tirol-bd-2-raumbuch-die-bauhistorischen-und-archaeologischen-befunde.html bzw. die Arbeiten von Patrick Schicht zur Festung Hohensalzburg6Festungsführer: https://phoibos.at/en/Schicht-Patrick-Die-Festung-Hohensalzburg/ bzw. seine Dissertation an der TU Wien: https://repositum.tuwien.at/handle/20.500.12708/181345 können hier als sehr gute Beispiele genannt werden. Das historischen Raumbuch zeichnet sich auch durch eine sehr freie Wahl der „Mittel zur Darstellung“ aus. Während die anderen Varianten des Raumbuchs durch digitale und archivarische Anforderungen formal sehr streng sind können die historischen Raumbücher wenn auch sehr bedingt Geschichten erzählen.
Wir erachten es als unsere Aufgabe in diesem Projekt einerseits die Geschichten aus den neu entdeckten Inventaren zu Hohensalzburg weiter zu erzählen und andererseits die technischen Möglichkeiten der systematischen Suche mit semantischer Webtechnologie und webbasierter dreidimensionaler Darstellung zu verknüpfen.
Hier sehen wir die ersten Gehversuche unseres Projektes in sketchfab.
Über das ganz normale Alltagsleben auf der Festung Hohensalzburg weiß man noch wenig. Ein Forschungsprojekt soll das nun ändern – es nützt dazu künstliche Intelligenz.
Die Presse, Claudia Lagler, 12.2.2022
Die englische Version findet sich auf der Homepage unseres local time machine Projekts
Blog der Digital Humanities Arbeitsgruppe in Salzburg
https://dhsalzburg.hypotheses.org
Ringvorlesung zu Digital Humanities, organisiert vom IZMF in Salzburg